Lebensraum, den es zu schützen gilt – Vortrag von Biologe Torsten Kirchner

Gastbeitrag von Lea Hohmann

„Was macht die Lange Rhön so einzigartig – und warum steht sie unter Druck?“ Mit genau diesen Fragen eröffnete Diplom-Biologe Torsten Kirchner vor wenigen Tagen seinen Vortrag in der Hessischen Verwaltungsstelle des UNESCO-Biosphärenreservats in Hilders.

Was folgte, war ein Abend voller eindrucksvoller Einblicke in eines der größten und wertvollsten Naturschutzgebiete der Rhön.

„Die Hochrhön ist für die Rhön das, was der Kölner Dom für Köln ist“, sagte Kirchner gleich zu Beginn – und machte damit klar, welche Bedeutung dieses Gebiet hat.

Eine Landschaft, die der Mensch geschaffen hat – und erhalten muss

Kirchner erinnerte daran, dass die offene Hochflächenlandschaft nicht „natürlich“ entstanden ist, sondern durch jahrhundertelange Nutzung: Rodungen der alten Buchenwälder, Wanderschäferei, einmaliges Mähen im Jahr.

„Ohne diese traditionelle Bewirtschaftung hätte sich hier längst wieder Wald ausgebreitet“, betonte er. So aber konnten seltene Pflanzen wie Trollblumen und Arnika überleben, ebenso wie gefährdete Vogelarten – vom Wiesenpieper bis zur Bekassine.

Viel mehr Besucher – viel mehr Störungen

Ein Schwerpunkt seines Vortrags: der rapide steigende Besucherdruck. „Früher war hier abseits der Ortschaften fast niemand unterwegs“, erzählte Kirchner.

„Heute haben wir Wanderer, Mountainbiker, E-Biker, Skifahrer – und leider auch viele, die Wege verlassen.“ Besonders kritisch seien nächtliche Störungen durch Sternenhimmelfotografen: „Die Tiere bekommen kaum noch Ruhephasen.“

Invasive Arten und Klimawandel setzen zu

Deutlich wurde auch: Nicht nur der Mensch macht der Natur zu schaffen. Die Staudenlupine breitet sich massiv aus – „rund 60 Prozent des Gebiets sind inzwischen betroffen“, so Kirchner.

Sie verdrängt typische Bergwiesenpflanzen und erfordert aufwendige Gegenmaßnahmen wie frühes Mähen oder Ausstechen per Hand.

Gleichzeitig beschleunigt der Klimawandel die Veränderungen: knapp zwei Grad Erwärmung, längere Vegetationsperioden, mehr Trockenphasen.

„Feuchtwiesen trocknen aus – und damit verschwindet der Lebensraum der Bekassine“, erklärte er.

Insektenrückgang und Verbuschung – Probleme für viele Arten

Ein Beispiel aus einem Feldversuch blieb vielen Zuhörern im Gedächtnis: „Birkhuhn-Küken nehmen kaum noch zu, weil sie zu wenig Insekten finden – und nur fressen, wenn sie nicht gestört werden.“

Auch die fortschreitende Verbuschung setzt den Offenlandarten zu.

Große Herausforderungen – aber auch Hoffnung

Kirchner hob hervor, wie viel Einsatz nötig ist, um diese einzigartige Landschaft zu bewahren. Freiwillige stechen Lupinen, Verwaltungen pflegen Wiesen, invasive Tierarten wie der Waschbär werden verstärkt bejagt.

„Das kostet Zeit, Kraft und Geld – aber es lohnt sich“, sagte er. Denn es gibt Lichtblicke: Erste Kraniche sind in der Hochrhön angekommen, der Weißstorch hat den Landkreis Fulda erobert, und der Biber gestaltet die Landschaft neu.

„Wenn wir dranbleiben, hat die Lange Rhön eine Zukunft“, schloss Kirchner seinen Vortrag – und erntete dafür viel Zustimmung im Saal.